Dokumentation und Resumée "Natur Mischen - Buntes Grün als Patchwork" vom 11.09.2011
Bei schönstem Sonnenwetter begaben wir uns auf unseren zweiten Urbanen Ökostadtspaziergang 2011. Von der Baustelle rund um den Waller Bahnhof führte uns unser Weg durch Nebenstraßen und Tunnel in das Waller Dort, nicht ohne vorher Waldau-Theater und Blaumeier-Atelier einen Besuch abgestattet zu haben. Binnen weniger Momente ließen wir den Lärm der Stadt hinter uns und nach einem rasanten Ritt durch den Mäusetunnel befanden wir uns dann auch endgültig im Grünen. Nur der gelegentliche Blick auf städtische Monumente oder der Lärm vorbeifahrender Güterzüge ließen erahnen, dass wir uns noch inmitten der Stadt befanden.
Direkt am Beginn der Kleingartenanlagen entlang des Waller Fleets machten wir einen Zwischenstop bei den Internationalen Gärten Walle. Auf dem Areal mehrerer Parzellen ist hier ein offenes Angebot für Waller_innen sich nach Vorbild der Bewegung interkulturelle Gärten gemeinsam und über kulturelle Grenzen hinweg Beete anzulegen und miteinander zu pflegen, zu ernten und zu genießen und vor allem viel voneinander zu lernen. Mit großem Überschwang wurden wir dann auch begrüßt und bekamen die verschiedenen exotischen heimischen Gemüse und Feldfrüchte präsentiert. Eine kurze Führung zu den vorhandenen Erweiterungsflächen zeigte deutlich auf: weitere Mitgärtner_innen sind gerne willkommen.
Entlang des Waller Fleets fuhren wir anschließend immer weiter in die Waller Feldmark. In direkter Abfolge passieren wir intensiv und akkurat gepflegte Gartenparzellen, pittoreske Kaisenhäuschen, aber auch immer wieder leerstehende oder schon ganz abgeräumte Parzellenhäuschen. Nach und nach schwinden die letzten Kaisenhäuschen, die nach dem Krieg noch vielen tausenden Bremerinnen ein Dach über dem Kopf geboten hatten. Das Wohnrecht auf der Parzelle ist an die Bewohnerinnen geknüpft, ziehen sie aus oder sterben sie, erlischt es. Danach bleibt der Rückbau oder der Abriss. Schon hat sich ein Kaisenhausmuseum gegründet, das dieses Zeitzeugnis über die nächsten Generation retten möchte. Aber nicht nur die Kaisenhäuschen werden weniger, auch generell sinkt die Anzahl der genutzten Parzellen.
An dieser Situation entsponn sich eine intensive Diskussion darüber, ob und wie es eine Chance gibt, dass die Parzellen wieder vermehrt genutzt werden. Vielfach wurden sie angelegt, um den ärmeren Bremerinnen die Selbstversorgung zu ermöglichen, mit wachsendem Wohlstand aber auch relativ niedrigen Lebensmittelpreisen fiel diese Notwendigkeit weg. Mit dem Rückgang der Kleingärtnertätigkeit ging aber auch viel an Fachwissen verloren, die Entfremdung zur Lebensmittelerzeugung wuchs und wächst. Ein Potential für die Kleingärten liegt somit im wachsenden Interesse an Lebensmittelautonomie oder zumindest dem Wunsch, von einem Teil seiner Lebensmittel zu wissen, wie und wo sie entstanden sind.
Was mit Parzellen geschehen kann, entdeckten wir auf unserem Rückweg von den Müllbergen als einer Begrenzung des Parzellengebiets. Im Gewerbegebiet Bayernstraße haben sich Gewerbebauten in ehemalige Kleingartenanlagen gefressen. An einer Stelle stoppten allerdings hartnäckige Parzelleneigentümer das Voranschreiten, so dass sich uns das skurille Bild kleiner Häuschen in einem Meer aus Sand bot. An anderer Stelle, im Technologie Park oder dem Weidedamm, sind hingegen Parzellengebiete der sich ausdehnenden Stadt gewichen. Ob Urban oder auch Guerilla Gardening diesem Wachstum der Stadt ein Wachstum der Grünflächen entgegensetzen können, blieb ersteinmal unbeantwortet.
Unter dem Utbremer Kreisel gingen wir auseinander, nicht ohne auf den kommenden Urbanen Spaziergang (diesmal auch wieder zu Fuß) am Sonntag, den 16. Oktober 2011 zu verweisen. Er lautet "Grünschattenwirtschaft - Entdeckungsreise durch die Civita Incognita". Treffpunkt ist die BSAG Haltestelle "Duckwitzstr./Richard-Dunkel-Str." in 28199 Bremen.
Bilder: Daniel Schnier Text: Oliver Hasemann
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