WESER KURIER, 13.09.2010
Erinnerungen an das alte Bremen
Projekt "Schwarze Steine": Oliver Hasemann und Sönke Busch sprechen über städtebauliche Veränderungen
Von Sandra Töbe Altstadt. Das Stadtbild wandelt sich ständig. Wo früher mal der zentrale Bremer Omnibus-Bahnhof war, findet man heute eine mehr oder weniger grüne Wiese. Oliver Hasemann und Sönke Busch laden mit ihrem Projekt "Schwarze Steine" interessierte Bremerinnen und Bremer ein, sich zu erinnern - an das Bremen ihrer eigenen Vergangenheit.
Wer ein paar Jahre lang Bremen nicht besucht hat, wundert sich sehr beim Anblick des neuen Weser-Towers und der Überseestadt. Wie aber erleben die Menschen die Veränderungen ihrer Stadtteile? Woran erinnern wir uns, wenn wir an solchen Orten vorbeilaufen?
"Wir wollen an dem Punkt ansetzen, wo in den letzten drei Jahrzehnten städtebauliche Veränderungen stattgefunden haben", erläutert Sönke Busch. "Manche Veränderungen sind sehr markant, neue Sachen werden medial diskutiert. Aber wie es da vorher ausgesehen hat, weiß ganz schnell niemand mehr." Dabei geht es weniger darum, Fakten und Historie des Ortes darzustellen. Die Veranstalter werfen vor allem einen persönlichen Blick auf die Orte ihrer Erinnerung. Wie hat es dort vielleicht noch vor kurzem ausgesehen und welche persönlichen und auch gemeinschaftlichen Erlebnisse werden damit verbunden? "Unser Zugang ist nicht rein geschichtlich, sondern wir wollen auch sinnliche Eindrücke vermitteln", sagt Oliver Hasemann. Er denkt dabei an Gerüche, oder auch Geräusche, die die Erinnerung oft sehr viel stärker und anhaltender prägen als die visuelle Wahrnehmung. Begleitet werden die Eindrücke durch eine Lesung vor Ort.
Beispiel Bundeswehrhochhaus Was ist und war charakteristisch? Wie verändern sich die Orte in der Wahrnehmung, auch auf sprachlicher Ebene? Das Bundeswehrhochhaus beispielsweise, das keines mehr ist, und die Erdbeerbrücke, die auf den ersten Blick so gar nichts mit der beliebten Sommerfrucht gemeinsam hat. "Uns interessieren die alltäglichen Orte, an denen man einfach so vorbeiläuft", sagt Busch.
Das Projekt "Schwarze Steine" läuft im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Heimat" der Arbeitnehmerkammer Bremen und mit Unterstützung des Autonomen Architektur Ateliers (AAA). "Heimat", ein Begriff, der allzu schnell Assoziationen von ländlicher Idylle und Volksmusik weckt. Aber was bedeutet Heimat heutzutage in unserer mobilen, schnelllebigen Welt? Für Sönke Busch ist das auch eine persönliche Frage.
"Ich bin gebürtiger Bremer, aber ich war eine Zeitlang nicht hier. Und da hab ich mich schon gefragt, warum bist du nach Bremen zurückgekommen?" Der studierte Filmregisseur, der heute als freier Künstler und Literat arbeitet, hat sich die Frage selbst beantwortet. "Die Mikrokosmen sind interessanter für mich. Die kleinen Geschichten, die man hier beobachten kann, die kleinen Orte abseits der Öffentlichkeit." Heimat definiert als Ort ist "nicht mehr so statisch wie früher", meint er. "Der Ort verändert sich und ich verändere mich mit ihm." Die schwarzen Steine, welche Hasemann und Busch ab Donnerstag, 16. September, an zehn aufeinander folgenden Tagen im Stadtgebiet aufgestellt haben, stehen somit auch stellvertretend für die "schwarzen Flecken" unserer Erinnerung, die fehlbare Wahrnehmung, der uns umgebenden Orte. Interessierte sind eingeladen, sich auf die Suche zu machen und eigene Erinnerungen zu teilen.
Das Projekt wurde von Oliver Hasemann und Sönke Busch gemeinsam entwickelt. Hasemann ist Gründungsmitglied des 2006 gegründeten Autonomen Architektur Ateliers, das in regelmäßigen Abständen Spaziergänge durch Bremer Ortsteile anbietet, meist mit inhaltlichen Schwerpunkten.
Programm ab Donnerstag, den 16.09.2010 "Schwarze Steine" können besucht werden: Donnerstag, 16. September, am Bahnhofsvorplatz, Freitag, 17. September, am Lucie-Flechtmann-Platz, Sonnabend, 18. September, auf dem Teerhof, Sonntag, 19. September, am Weserstadion/Osterdeich, Montag, 20. September, an der Erdbeerbrücke, Dienstag, 21. September, an der Julius-Brecht-Allee/Ecke Beneckendorffallee, Mittwoch, 22. September, im Überseehafen, Donnerstag, 23. September, am Bundeswehrhochhaus, und Freitag, 24. September, auf dem Domshof, an den genannten Tagen ab 16 Uhr. Es folgt am Sonnabend, 25. September, eine Schnitzeljagd.
© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 13.09.2010