Seinen Anfang nahm der Spaziergang jedoch am Bahnhof Neustadt, Haltestelle für Personenzüge von und nach Bremen, Delmenhorst, Oldenburg, Osnabrück. Wie die folgenden Ziele wirkte das Bahnhofsgebäude öde und ließ an den Buchtitel „Bonjour tristesse“ denken. Hasemann nannte den Bau „eine leere Hülle“, wies aber auch auf die Teilnutzung durch einen Weinhändler hin. Dass der Bereich der Deutschen Bahn derart sich selbst überlassen ist, dürfte seinen Grund in der Zahl der hier an- und abreisenden Fahrgäste haben: Nirgends in Bremen verkehren weniger, heißt es von Behördenseite. Mit Blick auf kleine Stationen wie St. Magnus in Bremen-Nord bemerkenswert.
Passend zum Veranstaltungstitel „Zwischen Grün und Zwischen Nutzung“ ging es weiter zum Hohentorspark und zum verfallenden Güldenhausquartier, wo sich unter anderem ein Paintball-Anbieter niedergelassen hat. Dann der Güterbahnhof, laut Hasemann und Schnier ein 90000 Quadratmeter großer „Schlauch, Raumkeil, Sperrgürtel“ zwischen der Neustadt und Woltmershausen.
Züge fahren hier schon lange nicht mehr, die Bahn hat die Schienen aus dem Gleisbett gerissen. Geblieben sind die Schuppen, die durch Gewerbetreibende und zum weit geringeren Teil durch Künstler wie den Bildhauer Herwig Kemmerich genutzt werden.
Hasemanns und Schniers Ankündigung, „es wird gleich abenteuerlich“, war begründet.
Die mehrheitlich zwischen 25 und 35 Jahre alten Teilnehmer der Führung mussten sich ihren Weg unter Lkw-Aufliegern hindurch, über Deichseln hinweg und quer durch dorniges Gestrüpp bahnen. Die Fläche, das wurde schnell deutlich, ist noch immer unter Wert genutzt, obwohl die Baubehörde bereits 2003 im Stadtteilkonzept Woltmershausen vermerkt hatte: „Eine Neuordnung und Entwicklung des Geländes zu einem Dienstleistungsstandort ist in die Wege geleitet.“
Stellflächen für Güterzüge?
Nun ist eine andere als vom Bauressort angedachte Nutzung denkbar – und würde zurück zu den Ursprüngen führen. Denn nach denWorten von Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer, der ebenfalls unter den Spaziergängern auszumachen war, könnten bei Fertigstellung des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven zusätzliche Stellflächen für Güterzüge erforderlich sein. Neu verlegte Gleise in der Neustadt als Warteposition für Schienentransporte. Um Letztere durch den Flaschenhals Hauptbahnhof zu schicken, wenn sich dort Durchfahrtsmöglichkeiten ergeben.
Hinsichtlich der Zukunft des Bahnhofs Neustadt erklärte Fischer, er habe unterschiedliche Signale erhalten. Es existierten Überlegungen, die Haltestelle zugunsten einer Station in Huchting oder in der Überseestadt aufzugeben. Andererseits höre er aus der Baubehörde, dass Investitionsmittel bereitstünden. Dies sei im Sinne des Stadtteils. „Wir wünschen uns ja mehr Züge“, so Fischer. Der Wunsch nach einer dauerhaften Nutzung des Güldenhausquartiers, einst Sitz einer Schnapsbrennerei, dürfte wohl einfacher zu erfüllen sein. Immerhin will sich die Hochschule erweitern und hat das Quartier ins Auge gefasst. „Ich bin zuversichtlich“, sagte Fischer, befragt nach den Realisierungschancen. In diesem Zuge ließe sich die Aufenthaltsqualität im historischen Hohentorspark – mit Senkgarten und Blumenrabatten im Stil der 1950er- Jahre – erhöhen. Hasemann und Schnier gelang es jedenfalls, eine weitgehend unbekannte Nachbarschaft näherzubringen. Im Schatten der Hochstraße, die Hasemann als „Stadtmauer des 21. Jahrhunderts“ bezeichnete, führte das Duo an vernachlässigte und doch interessante Plätze. War auch die Vortragsweise mit unter chaotisch, machte die rund zweieinhalbstündige Tour durchaus Lust auf die nächsten Ökostadtspaziergänge: Am Sonntag, 5. September, geht es um das Thema „Saubere Energien“ (Treffpunkt: Fanshop am Weserstadion); am Sonntag, 26. September, um Verkehr und Wohnen entlang der Kattenturmer Heerstraße (Treffpunkt: Bushaltestelle Carl-Zeiss-Straße in Stuhr). Der Beginn ist jeweils um 14 Uhr.
Weitere Informationen finden sich im Internet unter www.aaa-bremen.de und www.oekostadt-bremen.de.
© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 12.08.2010 Text von Mario Assmann freier Mitarbeiter der Bremer Tageszeitungen AG, Foto: Roland Scheitz