Per pedes durch die Geschichte
"Urbaner Spaziergang" erkundet Epochen des Baustiles im Weidedammgebiet
Von Anke Velten Weidedamm. Am Torfhafen trafen sich am vergangenen Sonntag mehr als 30 Menschen, die auch die schlechten Wetterprognosen und der einsetzende Regen durchaus nicht von ihrem Vorhaben abbringen konnten. Ihr Weg war das Ziel, er führte quer durch das Weidedammgebiet, und in eine Zeitreise durch ein Jahrhundert Baugeschichte.
Zwei junge Bremer Architekten, Daniel Schnier und Oliver Hasemann, bieten seit drei Jahren regelmäßig ihre "urbanen Stadtspaziergänge" an, bei denen man im Schritttempo und aus eigener Anschauung erfahren kann, wie die Stadt sich entwickelte und ihre Menschen früher und heute lebten. Die Tour durch den Weidedamm eignete sich dabei vorzüglich, um die Epochen der Wohnbebauung Schicht für Schicht deutlich zu machen, "wie Jahresringe eines Baums", erzählt Raumplaner Daniel Hasemann: Denn im Weidedammgebiet finde man sich nahezu in jedem Straßenzug in einem neuen Jahrzehnt wieder. Außerdem erlebe man hier, wie die Stadt sich nach und nach die Natur an ihrer Peripherie erobert habe. Und schließlich bewegte die Veranstalter die Frage, ob diese Entwicklung immer so weiter gehen kann. "In Deutschland werden pro Minute die Fläche von zwei Fußballfeldern verbaut", erklärt der Raumplaner.
Weil die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen Stadt gekommen waren, gab es zum Geleit etwas Nachhilfe in Findorffer Geschichte. Zum Beispiel, dass der Torfhafen der Ursprung des Stadtteils war, der keine dörfliche Vorgeschichte hatte und sich um diese Keimzelle herum entwickelte. Dass die Kanäle aus dem Moorgebiet gleichzeitig der Entwässerung dienten als auch der Versorgung der Stadt mit dem wichtigen Energielieferanten Torf. Und dass der Name des Stadtteils darum kein historischer Ortsname ist, sondern auf den verdienstvollen Moorkommissar Jürgen Christian Findorff zurückgeht. Entlang des Torfhafens, an der Neukirchstraße, finden sich die ältesten Bauten Findorffs aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Hier, erklärte Daniel Hasemann, spielte sich einst echtes Hafenleben ab, "mit vielen Spelunken, keine feine Gegend". Chronologischer Endpunkt war das Weidedamm-III-Gebiet mit seiner zeitgenössischen Wohnbebauung.
Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Stadtteilbeirat Findorff, dem Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa sowie dem Verein "ÖkoStadt Bremen". Dass die urbanen Spaziergänge von Oliver Hasemann und Daniel Schnier inzwischen eine treue Fangemeinde haben, liege aber nicht nur am Thema selbst, erzählen Ellen Gutschmidt und Sophie Kunz. Die beiden jungen Frauen haben bislang keinen einzigen Spaziergang verpasst. "Man bekommt einen ganz anderen Blick für die Stadt als bei klassischen Führungen", erzählt Ellen Gutschmidt. "Und die Beiden machen das so niedlich und charmant, da möchte man einfach immer wieder mitkommen." Der nächste Spaziergang am Sonntag, 8. November, führt unter dem Motto "WasserWerkWeg! - Wohnen im Reservoir" zum Stadtwerder. Treffpunkt ist um 14 Uhr am ehemaligen Katasteramt, Wilhelm-Kaisen-Brücke. Weitere Informationen unter www.aaa-bremen.blogspot.com.
© Copyright Bremer Tageszeitungen AG, Datum: 15.10.2009, Text von Anke Velten, freie Mitarbeiterin der Bremer Tageszeitungen AG, Foto: Roland Scheitz