Freitag, 16. November 2012

Weser Kurier, 29.10.2012 "Auf ungewohnten Wegen zu interessanten Ecken"


Auf ungewohnten Wegen zu interessanten Ecken

+VON SOLVEIG RIXMANN
Hastedt ·Gartenstadt Vahr. Nur wenige Autos fahren an diesem Sonntagmittag die Stresemannstraße oder die Steubenstraße entlang. An Wochentagen wird das Gebiet rund um das Stadtamt allerdings von Autos dominiert: Pkw-Verkehr, Autohäuser, Waschanlagen, Baumärkte, der ADAC in Blickweite und die Kfz-Zulassungsstelle. Dort ist der Treffpunkt für den dritten und für dieses Jahr letzten urbanen Ökostadtspaziergang unter dem Motto „Zwischen Gartenstadt und Autobiotop“.
„Wenn man irgendwo von einer Automeile sprechen will, dann hier“, sagt Oliver Hasemann vor dem Stadtamt. Das denkmalgeschützte Gebäude aus den 60er-Jahren wurde vom Bremer Architekten Gerhard Müller-Menckens gebaut, der auch für den Erweiterungsbau der Sparkasse verantwortlich zeichnet. Früher gehörte es dem Überlandwerk Nord-Hannover und ist seit der Fusion mit dem Energieversorger EWE in dessen Besitz. Die EWE vermietet an das Stadtamt. „Statt es selbst zu betreiben, wird gemietet“, sagt Oliver Hasemann und wirft die Frage auf, ob es wirklich immer sinnvoller und kostengünstiger ist, die Verwaltung und Instandhaltung von Gebäuden aus der Hand zu geben.
In diesem Bereich Bremens sind Fußgänger eher ungewöhnlich. Es werden Autos angemeldet oder mit dem Auto zum gegenüberliegenden Baumarkt gefahren und eingekauft. Das Konzept des Baumarktes scheint so starr, dass das Unternehmen nicht in das Gebäude des ehemaligen Paketzentrums einziehen konnte, sondern ganz neu bauen musste. Mit seinen 24 000 Quadratmetern ist der Baufachmarkt „6000 Quadratmeter kleiner als der Schuppen 2 – das Zentrum der Kreativen“, betont Daniel Schnier.
Hinter dem Gebäude, direkt an der Bahnstrecke gelegen, befinden sich die Mitarbeiterparkplätze eines benachbarten Telekommunikationsunternehmens. Offensichtlich werden die Parkplätze nicht mehr gebraucht, werden aber auch nicht bebaut. Durch eine Unterführung gelangt man als Fußgänger zwischen zwei Bahnstrecken. „Das wirkt jetzt natürlich – wo kein Zug fährt – extrem idyllisch“, sagt Oliver Hasemann inmitten von herbstlaubgefärbten Bäumen. Ein vorbeifahrender Zug ändert die Situation komplett und verwandelt das Gebiet offenkundig in eine Fläche, mit der man nicht alles machen kann.
Etwas verwundert gucken die Besucher beim Schausonntag des Autohauses die Gruppe Sonntagsspaziergänger an. Auch Passanten, die ihren Hund spazieren führen oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, schauen skeptisch. Stadtführungen sind in diesem Gebiet Bremens sonst nicht anzutreffen.
Die ungewohnten Orte wollen der Diplom-Ingenieur in Raumplanung, Oliver Hasemann, und der Diplom-Ingenieur in Architektur, Daniel Schnier, vom AAA (Autonomen Architekten Atelier) den Spaziergängern zeigen: die unbekannten Ecken, die Entwicklungen abseits der historischen Sehenswürdigkeiten. Normalerweise beschränken sich diese Spaziergänge auf einen Ortsteil. Ausnahmsweise führt dieses Mal der Weg von Hastedt in die Gartenstadt Vahr. Angeboten werden die urbanen Spaziergänge des AAA in Kooperation mit dem Verein Ökostadt Bremen und dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr.
Auch wenn eine Verquickung von Wohnen und Arbeitsstätte angestrebt wird, schließen sich bestimmte Wohn- und Arbeitsweisen einfach aus. In der Neidenburger Straße halten die urbanen Stadtführer vor einem Überbleibsel aus vergangener Zeit. Zischen Kfz-Service und Erotikversand steht eines der letzten Kaisen-Häuser Bremens. „Der Bebauungsplan für das ganze Areal ist 1970 in Kraft getreten. Davor ist das landwirtschaftlich genutzt worden“, erzählt Oliver Hasemann, während die Musik des benachbarten Fitnessstudios herüberschallt.
Die Fahrrad- und Fußweg-Verbindung zwischen Hastedt und der Vahr führt zur Beneckendorffallee. Hinter der Bahnlinie zeigt sich ein anderes Stadtbild. Keine Gewerbebebauung, sondern Wohnhäuser – das Wohngebiet der Gartenstadt Vahr. Sozialer Wohnungsbau der 1950er-Jahre, sehr original geblieben. Der in den 1850er-Jahren entwickelte Plan von Baudirektor Alexander Schröder sah entlang der Beneckendorffallee einen Verkehrsring vor, wurde aber nie verwirklicht. Heute ist dies eine ideale Fahrradverbindung.
Schlusspunkt ist das Supermarktgelände gegenüber der Galopprennbahn. „Wir fanden dieses Nebeneinander im höchsten Maße spannend“, sagt Oliver Hasemann. Kein Villenviertel, aber mittendrin die Galopprennbahn. Doch die war vor allem anderen dort – ob es auch eine Zukunft für sie gibt, entscheidet sich (wie berichtet) Anfang November.
© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Text: Solveig Rixmann, Fotografien: Petra Stubbe, Ausgabe: SOS Seite: 5 Datum: 29.10.2012

Resumee und Dokumentation Urbaner Spaziergang „Stadtverfüllungsflächen – Zwischen Gartenstadt und Autobiotop“ am 21.10.2012

An einem wunderbaren sonnigen Sonntag startete das AAA mit zirka 50 Spaziergängerinnen den letzten und dritten Urbanen Ökostadtspaziergang in Kooperation mit Ökostadt Bremen e.V.
Der Beginn des Spaziergangs lag am ehemaligen Sitz der Überlandwerke Hannover und jetzigem Stadtamt Bremen. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und wird seit 2004 vom Stadtamt Bremen, Ausländeramt, Kfz-Zulassungstelle und Fundamt gemietet, der Eigentümer ist die EWE. Ein Umstand, der mit der inzwischen gängigen Praxis zusammenhängt, Gebäude nicht mehr selbst zu bauen, zu besitzen und zu betreiben, sondern dies an spezialisierte Unternehmen abzugeben. Eine Praxis, die auch von der öffentlichen Hand betrieben wird. Die Frage, ob dies im Endeffekt wirklich günstiger ist oder „nur“ eine temporäre Ersparnis erbringt, wurde hierbei in den Raum gestellt.

Das Kfz-Amt bildet aber auch Baustein der Bremer Automeile. Unser Spaziergang führte uns weiter an Autohäusern, Autowaschstrassen und (Auto-)Tankstellen vorbei zu einem Atoll der Heimwerker. Ein riesiger Drive-Inn Baumarkt hat sich mit 24.000m2 Fläche an der Stresemannstraße ausgebreitet. Große Tore erlauben es den Kunden direkt in eine der Hallen einzufahren und dort ihr Fahrzeug direkt zu beladen. Das hier massiv Boden versiegelt wurde, wird von den wenigen begrünten Parkplatzflächen und der begrünten Dachlandschaft nicht wirklich verdeckt.


Der weite Weg um das Gebäude herum führte uns unter der Bahnlinie nach Hannover hinweg in einen abgeschlossenen, versteckten Bereich zwischen eben dieser Bahnlinie und der Linie Bremen – Osnabrück. Wenn nicht gerade ein Zug die Stille störte, war dies ein höchst idyllischer Ort. Links eine Gärtnerkolonie weiter Richtung Sebaldsbrück sogenanntes „graues Gewerbe“, dass sich bis zur Fahrradstraße Hastedt-Alte Vahr erstreckt. Dieses wirklich ausgedehnte Gewerbegebiet an der Neidenburger Straße ist weitgehend unbekannt. Zwischen Tanzräumen, Gebrauchtwagenhändlern oder Waschmaschinenmonteuren fand sich   hier auch noch ein einsames Kaisenhaus.


Über einen gut genutzten Fahrrad- und Fußweg (Autos waren nicht erlaubt) erreichten wir erstaunlich schnell die Gartenstadt Vahr. An der Benneckendorfallee, die ursprünglich als Entlastungsstraßen geplant war und heute ein Fahrradschnellweg ist, hielten wir kurz und diskutierten mit Blick auf den Sozialen Wohnungsbau der 50er und 60er Jahre die gegenwärtige Situation, in der es nach Jahren des Überangebots wieder an bezahlbaren Wohnungen fehlt, da es für freie Bauträger eben keine Anreize gibt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wenn sie mit hochpreisigem Wohnungsbau wesentlich höhere Gewinne einstreichen können.

Unser Spaziergang endete nach Durchquerung der Gartenstadt Vahr auf dem Parkplatz eines großen Einkaufszentrums mit Blick auf den Rennplatz Bremen. Die großen Parkflächen des Supermarkts fanden an diesem Sonntag noch einmal Anklang für die Besucher des Renntages, doch dieses Rennen könnte durchaus das letzte gewesen sein.

Wir danken allen, die auf den Spaziergängen dieses Jahr dabei waren und laden zu neuen Urbanen Spaziergängen in Kooperation mit ÖkoStadt Bremen e.V. im Jahre 2013 ein.

P.S.: Wir waren nicht auf dem Rennplatz, weil am Eintritt nach zwei Stunden noch immer der volle Preis verlangt wurde.

Vielen lieben Dank auch für die Fotografien von Thorben Thürmer (c) 2012.

Montag, 5. November 2012

AAA in der Süddeutschen Zeitung am 02.11.2012

Hier ist der Link zum Artikel "Schätze an der Straße" von Joachim Göres vom 02.11.2012. Erschienen in der Süddeutschen Zeitung.

Fotografie: AAA, D. Schnier (c) 2008