DELMENHORST Oliver Hasemann und
Daniel Schnier sehen aus wie ganz normale Männer in der zweiten Hälfte ihres vierten Lebensjahrzehnts. Hasemann, glattrasiert, Brille und lichtes Haar, könnte Bank- oder Versicherungskaufmann sein. Schnier traut man mit seinem Vollbart und Mütze einen handwerklichen Beruf zu. Doch es ist alles ganz anders.
„Wir sind Künstler“, sagen sie. Seit sieben Jahren bilden der Architekt und der Stadtplaner in Bremen das „Autonome Architektur Atelier“. Zu ihren Spezialitäten gehören „Urbane Spaziergänge“. Einen solchen haben sie anlässlich der Finissage der Galerie-Ausstellung „
Ina Weber. HIER“ am Sonntagnachmittag in Delmenhorst veranstaltet. An der etwas anderen Stadtführung nahmen 15 interessierte Delmenhorster und einige Auswärtige teil. Ina Webers Werk war der Leitfaden, an dem sich die zwei Stadtspaziergänger orientieren wollten. „Wir werden also nicht die klassischen Orte aufsuchen, sondern hinter die Fassaden schauen“, sagt Hasemann zur Einstimmung. Gesagt, getan.
Erster Stopp ist ein Innenhof der
Berufsgenossenschaft. „Hier sehen wir eine Art japanischen Steingarten“, sagt Hasemann. Schnier weist auf die an ägyptische Architektur erinnernde terrassenartig gestaltete Fassade hin. Und auf den „Geysir-artigen Brunnen“. Die Spaziergänger amüsiert’s. Doch das ist noch nicht alles. Im Dialog werfen sich „Herr Schnier“ und „Herr Hasemann“ die Bälle zu. „Das ist der einzige Platz in Delmenhorst mit zwei Sonnen“, hören die Spaziergänger. In der Tat spiegelt sich die Sonne in einer Glasfassade wider und strahlt so von zwei Seiten.
Neben dem Lichtkontor an der Bremer Straße ist eine Brache. Die Gruppe rätselt, was hier einmal gestanden haben mag. Jetzt biegen die Spaziergänger in die Nelkenstraße ein, halten bei der Neuapostolischen Kirche. Im Schaukasten neben dem Eingang hängt ein Plakat mit der Aufforderung „Gehen Sie weiter!“. Doch man bleibt noch stehen, fragt sich, ob das streng wirkende Gebäude schon immer eine Kirche war.
Am Ende der Straße steht ein leerstehendes Fabrikgebäude, eine alte Strickerei. Was macht man mit einem solche Gebäude? Hasemann und Schnier machen darauf aufmerksam, dass solche Objekte in Bremen niemals lange leerstehen würden.
In der Grünen Straße stehen viele eigenartige Häuser. Zum Beispiel das zur Straße hin aufgeständerte Gebäude, in dem früher mal ein berufliches Förderzentrum und davor ein Bodenbelagsbetrieb untergebracht waren. Warum nur gibt es in Delmenhorst so viele ungenutzte Immobilien? Die Gruppe biegt ein in die Cramerstraße, staunt über das Gebäude mit der Amtsgerichts-Nebenstelle und dem „
Hardball Café“. Gegenüber dem ehemaligen Lichtspielhaus stoppt man vor einem alten, denkmalgeschützten Haus. „Hier traut sich wohl keiner ran“, wird vermutet.
Letzter Halt ist die Bebelstraße. Freie Sicht auf den rückwärtigen Hertie-Komplex. „Vier Millionen wollen sie dafür haben“, erzählt eine Spaziergängerin.
Zurück im Haus Coburg lässt die Gruppe das Gesehene bei Kaffee und Kuchen noch einmal Revue passieren. So haben sie Delmenhorst noch nie gesehen, sind sich alle einig.
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(c) 2013, Wolfgang Bednarz, Delmenhorster Kurier,
Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH Co. KG, Amtsgericht Oldenburg Nr. HRA 3586
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