Mittwoch, 13. Juni 2007

"AAA281 - Abflug, Abriss, Abfahrt" Dokumentation und Resumeé vom 10.06.2007




Urlaubsstimmung am Abflugterminal – Hitzeblasen über dem Asphalt

Sonntagnachmittags am Abflugterminal des Airport Bremen, 50 Personen haben sich bei hochsommerlichen Temperaturen eingefunden, nicht um an die Traumstrände ferner Urlaubsziele zu reisen, sondern um mit uns auf einen urbanen Spaziergang durch die Airport Stadt zu gehen. Einen ersten Ausblick auf das Plangebiet der Airport Stadt und den Flughafen gewinnen wir vom obersten Parkdeck des Parkhauses. Aus der Vogelperspektive, und begleitet vom zänkischen Spott der im benachbarten Park beheimateten Krähen, bietet sich hier ein Blick auf die nahegelegene Baustelle, aber auch auf die Silhouette der Bremer Altstadt und in die weiten, grünen Landschaften jenseits des Airports Bremen.

Von den grünen Wiesen des ehemaligen Neuenlander Felds ist auf dem Erdboden wieder angekommen allerdings weniger zu sehen, vielmehr bietet sich uns das Bild einer ausgedehnten Sandlandschaft, die immer wieder von Baustellen durchbrochen wird. An den aufstrebenden Büro- und Gewerbebauten der wachsenden Airport Stadt führt uns der Weg in Richtung der Autobahn A281, um im Schatten ihrer Brückenbauwerke für einen Moment eine Zuflucht zu finden. In diesen Schatten entspannt sich dann auch eine spannende Diskussion über den Sinn und Unsinn dieses Bauwerks, dessen Nutzen noch lange nicht abzusehen ist, da die endgültige Fertigstellung noch weit in der Zukunft liegt.

Den Platz unter der Autobahn tauschen wir dann alsbald mit einem Platz auf der Autobahn ein. Auf dem frisch aufgetragenen Asphalt weht uns schon ein heißer Wind entgegen, aber noch können wir diesen Raum als Spaziergänger in Besitz nehmen. Bald rollen hier Lastwagen in Richtung des Güterverkehrszentrums und weiter zu den Containerhäfen in Bremerhaven oder Wilhelmshaven. Noch nutzen allerdings wir die Autobahnabfahrt als bequemen Weg, um die Autobahn wieder zu verlassen und die Schrägseilbrücke mit ihren 50 Meter hohen Stahlpylonen zu bewundern, die sich hier auf über hundert Metern Länge über Straße und Straßenbahntrasse spannt.

Unser Rückweg führte uns in den schon fertiggestellten Bereich der Airport Stadt. Zwischen den verspiegelten Backsteinfassaden stellt sich uns hier die Frage, ob dies noch Bremen ist oder schon ein Teil einer internationalen Enklave, die sich vom Airport aus ausdehnt und dem Besucher beständig das Gefühl vermittelt, den Flughafen noch nicht verlassen zu haben. Belebt ist dieses Stadtquartier, trotz einer hohen Arbeits- und Parkplatzdichte, nicht, trotz akkurater Grünflächen und freundlichen Schattens stellt sich hier keine städtische Atmosphäre ein, wir sind an diesem Sonntagnachmittag die einzigen Besucher.

Den Abschluss findet unser Urbaner Spaziergang am RyanAir-Terminal. Die Ikone der Low-Cost-Carrier fliegt seit März Bremen an und wird schon im ersten Jahr über eine Million Passagiere über Bremen transportiert haben. Eine Entwicklung, die dazu führt, das immer mehr internationale Gäste Bremen besuchen und an der Schlachte den Charme Bremer Qualitätsprodukte geniessen.

Wir danken allen Spaziergängern und Spaziergängerinnen, die trotz der hochsommerlichen Temperaturen so lange mit uns unterwegs waren und sich wie wir an der interessanten Kulisse des Spaziergangs erfreut haben. Wir würden uns sehr freuen, Euch auch bei unseren kommenden Veranstaltungen begrüßen zu können.

Text: Oliver Hasemann, Fotos: Meike Schlingmann

Samstag, 2. Juni 2007

WESER KURIER, 31.05.2007

Vorbei an Wurst und Coca-Cola
Autonomes Architektur Atelier führte durch Hemelinger Industriegeschichte

HEMELINGEN. Was heute als ein typischer Auswuchs der Globalisierung gilt, hat seinen Ursprung während des industriellen Zeitalters Mitte des 19. Jahrhunderts. Während heute in der Industrie die Produktion in Niedriglohnländer wie China verlagert wird, tat man ähnliches auch schon vor 150 Jahren in Bremen. Auf einem der urbanen Spaziergänge des Autonomen Architektur Atelier (AAA) am Sonntag ging es durch Hemelingen.

Als der heutige Bremer Stadtteil Hemelingen noch eigenständig war und zum Königreich Hannover gehörte, wurde hier vor den Toren der Stadt produziert. Das war günstig und es gab keine Schwierigkeiten etwa mit Emissionen. Die Industrieanlagen standen damals im Grünen, erst im Laufe der Jahre und durch den Bevölkerungszuwachs im Rahmen des industriellen Wachstums wucherten Wohngebiet und Industriegebiet zusammen. Welche Altlasten die intensive industrielle Nutzung im Stadtteil hinterlassen hat, wird bei einem Gründstück in Bahnhofsnähe deutlich. Bevor hier auch nur ein einziger neuer Grundstein gelegt werden kann, muss das verseuchte Erdreich gereinigt werden.

Mit dem Bau der Bahnlinie nach Hannover im Jahre 1847 wurde die Basis geschaffen für eine intensive Industrialisierung von Hemelingen, die bis vor etwa 20 Jahren anhielt. Zu dieser Zeit schlossen viele der Traditionsunternehmen, wie Nordmende oder Focke-Wulf, für den Stadtteil begann der Wandel. Seit zehn Jahren befindet sich Hemelingen im Förderungsprogramm zu Sanierung alter Industrieviertel, die Fortschritte gehen schleppend voran. Heute ist Hemelingen ein von der Infrastruktur geradezu zerrissener Stadtteil.

In der Bahnhofstraße stehen viele Ladenlokale leer, unter anderem auch die Apotheke, die um die vorige Jahrhundertwende gebaut wurde. Das Gebäude steht zum Verkauf, nach einem Investor wird gesucht. Es gibt wenige Geschäfte für die Waren des täglichen Bedarfs, die man zu Fuß erreichen kann, der Stadtteil ist immer noch geprägt von der Zeit, als die Arbeiter zu ihrem Betrieb pendelten und abends wieder nach Hause fuhren.

"Es war wohl als Motor für die Stadtsanierung gedacht, mit dem Bau des Hemelinger Tunnels anzufangen", vermutet Raumplaner Alexander Kutsch, der die Stadtspaziergänge gemeinsam mit Oliver Hasemann, der ebenfalls Raumplaner ist, und dem Architekten Daniel Schnier anbietet. Zu Fuß erlaufen die Teilnehmer der Rundgänge des AAA Stadtteile und erfahren etwas über den Wandel, den dies im Laufe der Jahre durchlaufen haben.

Und so landeten die etwa 50 Teilnehmer des Rundgangs am Sonntag auch wieder einmal an unerwarteten Orten. Denn wer Hemelingen in seiner ganzen Länge durchqueren will, steht auf einmal vor der großen Kreuzung, von der der Hemelinger Tunnel in die Tiefe abtaucht.Auf der anderen Seite der Straße gelangt man durchs Gebüsch an den Allerhafen. Als der Hafen Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, war er ein Hauptverkehrsknotenpunkt für den Transport von Kohle, Kies, Sand und Bier, das damals noch in Hemelingen gebraut wurde. Inzwischen ist der Güterverkehr auf Straße und Gleis verlagert worden, der Fluss verliert an Bedeutung. Dafür soll der Hemelinger Tunnel, der 2003 eröffnet wurde, Hemelingen vom gewaltigen Verkehrsaufkommen durch Personen- und Warenverkehr entlasten. Die beiden Großbetriebe in Hemelingen, Coca-Cola und der Wursthersteller Könecke, orientieren sich auch zur Straße hin.

Dass bei den Versuchen der Stadtsanierung in Hemelingen Autos und nicht Fußgänger im Mittelpunkt stehen, beweisen gutgemeinte Versuche am Hemelinger Bahnhof. Hier wurde die Unterführung zwar neu gestaltet, dafür fehlt auf der einen Seite die Rampe.

Von Barrierefreiheit kann keine Rede sein. "Der Stadtplaner, der das verbrochen hat, müsste hier jeden Tag stehen und die Kinderwagen hochtragen", echauffiert sich eine Teilnehmerin des Spaziergangs. Am hinteren Ende der Godehardstraße, an der auch das Bürgerhaus sitzt, sind Grundstücke für ein neues Wohngebiet ausgewiesen. Das lange geplante Zentrum KUBIKO soll das neue Herz von Hemelingen werden, ein Versuch der Revitalisierung eines Stadtteils. "Es wird hier deutlich, dass die bauliche Aufwertung, die ’Investition in Steine’ alleine nicht reicht, um den Strukturwandel herbeizuführen", meint Oliver Hasemann.

Der nächste urbane Spaziergang des AAA ist für Sonntag, 10. Juni, geplant. Unter dem Motto "AAA 281 - Abflug, Abriss, Abfahrt!" geht es durch die Airportcity. Treffpunkt um 15 Uhr ist der Terminal Abflug des Flughafens in der Flughafenallee.

© www.weser-kurier.de | von der WESER-KURIER Mitarbeiterin Catharina Oppitz, FOTOS: Petra Stubbe