WESER KURIER, 17.02.2009
Leerlauf nicht nur im Film
Urbaner Spaziergang mit dem Autonomen Architektur Atelier erfüllt Erwartungen nicht
Blumenthal. Im Eilschritt geht es vom Bahnhof Mühlenstraße durch das Zentrum. Man hastet vorbei an leeren Geschäften, Billig-Läden und schmuddeligen Gebäuden zum Marktplatz. "Wo ist denn hier schöne Architektur?"
Der Fragende meint es rhetorisch. Die Entwicklung in Blumenthal sei doch ein Trauerspiel. Der ältere Herr schimpft auf die Politik, die habe versagt. Mitten auf dem Blumenthaler Marktplatz, im Schneegeriesel bei Temperaturen um den Gefrierpunkt reden sie sich in Rage. "Von der Politik ist das Zentrum als Zentrum aufgegeben worden", kritisiert Dennis Witthus. Für den Sprecher der Einzelhändler-Vereinigung "Blumenthal Aktiv", ist der jüngste Beiratsbeschluss für eine Erweiterung des Blumenthal-Centers ein Schuss vor den Bug all jener, die sich um eine Belebung des Ortskerns bemühen. CDU-Beiratsmitglied Ursula Palme kontert: Der Beirat könne Händlern nicht vorschreiben, wo sie sich ansiedeln sollen. Wenn es einen Kaufmann zum neuen Center ziehe, müsse man dortMöglichkeiten schaffen.
"Das Thema Ortskern brennt hier wohl sehr", stellt Architekt Daniel Schnier fest. 45 Frauen und Männer haben sich um ihn und seinen Kollegen, den Raumplaner Oliver Hasemann, versammelt. Die beiden betreiben im ehemaligen Zollamt Hansator in Utbremen das Autonome Architektur Atelier (AAA) und haben zu einem "urbanen Spaziergang" durch Blumenthal geladen. Seit September 2006 bieten sie Rundgänge durch Stadtteile an. Bremen-Nord mit Blumenthal ist für sie Neuland. Das merkt man beim Gang durch den Ort und über das ehemaligen Wollkämmerei-Gelände. Zwar versteht das Duo seinen "urbanen Spaziergang" nicht als Führung. "Wir wollen kein Wissen vermitteln", sagt Schnier. Ihnen geht es darum, einen Stadtteil als Raum unter verschiedenen Blickwinkeln zu erkunden. Ob es dazu aber reicht, auf den schönen Blick aus der George-Albrecht-Straße auf die Weser hinzuweisen? Für die Blumenthaler im Schlepptau ist das nichts Neues.
Andere Sichtweisen oder gar neue Ideen vermittelt der 90-minütige Rundgang nicht. Manchmal scheint das Duo schlicht schlecht vorbereitet. Woher die ehemaligen Werkmeister-Wohnungen der BWK in der Straße ihren Namen haben, erfährt die Gruppe nicht von ihnen sondern von einem Teilnehmer. Ein alter Hut der Vorschlag für Wohnen am Wasser auf dem ehemaligen BWK-Gelände. Zur zukünftigen Nutzung der BWK-Speicher fällt Schnier ein: "Man sollte nicht nur über Gewerbe nachdenken sondern in einem Workshop auch über andere Ideen." Eigene Anregungen? Fehlanzeige.
Die Teilnehmer hatten mehr vom Spaziergang erwartet. "Das war ein bisschen dünn. Ich hätte mir mehr Erläuterungen zur Architektur gewünscht und auch Vorschläge, was man mit den vorhandenen Gebäuden machen könnte", meint Gerhard Knust. "Ein stadtplanerisches Konzept für Blumenthal" erwartete Ehefrau Dorothea Knust. Der Blumenthaler Werner Ehlers vermisste Fakten und Erklärungen. "Ich hätte mir auch gewünscht, dass eine Perspektive für Blumenthal aufgezeigt wird." Das Fazit von Beiratsmitglied Anke Krohne: "Ein netter Spaziergang, neue Ideen wurden aber nicht präsentiert." Auch der im Anschluss in Haus Blomendal gezeigte Film "Leerlauf" über Leerstände in Blumenthal und anderorts habe nichts Neues gebracht. "Beschrieben wurde der Ist-Zustand, und den kennen wir." Beiratsmitglied Ursula Palme ist "sehr enttäuscht". Sie hoffte auf frische Ideen für die Blumenthaler Probleme durch den Blick von außen - "da kam aber nichts."
© Copyright Bremer Tageszeitungen AG 17.02.2009, Text und Foto von Gabriela Keller, freie Mitarbeiterin der Bremer Tageszeitungen AG
2 Kommentare:
erwarte nicht.
oh man, ich kann mir vorstellen, wie das abgelaufen ist. die provinz is eben doch ein anderes pflaster, da ziehen progressive konzepte nich so...schon gar nich bei ortspolitik und geschäftsleuten. glück auf! ...alex
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