Neues Leben im Abrisshaus
Wohnexperiment im Hochhaus Neuwieder Straße 48
TENEVER. Eine merkwürdige, bedrückende Stille geht von dem Wohnkomplex  Neuwieder Straße 46 -52 in Osterholz Tenever aus. Von den meisten  Mietern schon verlassen, ragen die zum Abriss verdammten Betonkolosse  weitgehend verwaist in den Bremer Himmel. Doch bald soll neues Leben  dort einkehren.
In dem Haus an der Neuwieder Straße 48 bewohnen nur noch zwei Parteien  das Hochhaus, eine mehrköpfige Familie und ein älterer, alleinstehender  Herr. Auch sie sollen bald in eines der umliegenden Gebäude umsiedeln,  damit die teilweise stark heruntergekommene Wohnanlage abgerissen werden  kann. Doch bevor das soweit ist, erwacht eines der Häuser, der Block  Nummer 48, für kurze Zeit noch einmal zu neuem Leben.
Im Rahmen des Projektes "Sproutbau" sollen sich im August hier Menschen  niederlassen, die einen Monat lang gemeinschaftlich miteinander leben  wollen. Am Sonnabend veranstalteten die Organisatoren des Projekts eine  erste Hausbegehung mit potenziellen Mitbewohnern. Die Initiatoren des  Projekts, oder das "Team N.", wie sich die Gruppe nennt, sind neben  Christina Vogesang, Annika Schmeding und Olaf Clausing, die über den  Verein "Quartier" oder ähnliche Sozialeinrichtungen schon mehrere  Projekt in Tenever betreut oder organisiert haben, auch Oliver Hasemann,  Daniel Schnier und Alexander Kutsch vom Autonomen Architektur Atelier  (AAA), die sich aufgrund der architektonischen Besonderheiten des  Wohnkomplexes für das Projekt interessieren. "Die Idee ist, hier eine  Wohngemeinschaft entstehen zu lassen, die sich auf der Grundlage  individueller Ideen und der Gegebenheiten des Hauses entsprechend  organisiert und miteinander in dem Haus lebt", erklärt Christina Vogesang.
Einzige Voraussetzung: Jeder, der in das Haus einzieht, muss etwas für  das Allgemeinwohl in die Wohngemeinschaft einbringen und möglichst eine  Idee entwickeln, die zu einer nachhaltigen Nutzung bestimmt ist. "Unter  anderem wollen wir eine Volksküche einrichten, die für die Versorgung  der Bewohner zuständig ist", erzählt Vogesang.
Darüber hinaus seien jedoch auch Interessenten aus anderen Bereichen,  wie Handwerker, Techniker oder Zukunftsvisionäre gefragt, die sich  vorstellen können, für einen Monat in einem fast leerstehenden Hochhaus  zu wohnen. "Bisher haben sich schon einige Leute mit guten Ideen bei uns  gemeldet", erzählt Christina Vogesang. "Wir haben sogar auch einige  Anfragen aus dem Ausland, was uns natürlich besonders freut, weil es dem  Projekt eine internationale Note gibt."
Claudia Junker und Niko Wolf, die aus Ottersberg zur Besichtigung  gekommen sind, kennen sich mit alternativ geführten, gemeinschaftlichen  Lebensformen aus. "Wir wohnen zusammen mit 18 Leuten in einem alten  Bahnhof im Ottersberg", erzählt die 24-jährige Kunstpädagogikstudentin  Claudia Junker, die schon seit dreieinhalb Jahren in dem alten Bahnhof  lebt. Zwar habe sie bisher noch keine genaue Vorstellung davon, was sie  in die Gemeinschaft einbringen könnte. "Ich finde das Projekt aber sehr  spannend und wollte mir zur Inspiration einfach schon mal das Gebäude  und die Räumlichkeiten angucken", meint sie.
Einen etwas ausgereifteren Plan hat die 25-jährige Celine, die  Umwelttechnik an der Universität Hamburg studiert. "Ich habe mir  überlegt, einen Solar- und Wärmespeicher zu entwickeln", erzählt sie. Da  sie damit jedoch noch in der Planung stecke, wolle sie lieber erstmal  nicht zu viel verraten. "Nicht, dass mich mein Professor nachher noch  darauf festnagelt und es dann nachher nicht klappt."
Anfang August sollen mindestens 40 Bewohnerinnen und Bewohner in den  Häuserblock einziehen, der dank der Gewoba noch für einen zusätzlichen  Monat an das Wasser- und Stromnetz angeschlossen bleiben wird.  "Allerdings haben wir in der Zeit leider kein warmes Wasser, aber  vielleicht entwickelt ja jemand noch eine Idee dafür", sagt Vogesang.
Wer Lust hat, sich an dem Projekt "Sproutbau" zu beteiligen, kann sich noch bis Sonntag, 24. Juni, anmelden. Informationen hierzu gibt es im Internet unter www.sproutbau.de.
© www.weser-kurier.de | von der WESER-KURIER Mitarbeiterin Andrea Suhn,  FOTOS: Petra Stubbe