Dienstag, 31. Juli 2007

WESER KURIER, 26.07.2007

Bunker in Flammen

Rundgang „Braune Soße links der Weser“ ging Überresten des Faschismus in der Neustadt nach

NEUSTADT. Wer im Stadtgebiet Spuren von Krieg und Faschismus finden will, muß ganz genau hinschauen. Die Hochbunker, ja klar, die kann man von weitem sehen, doch dich meisten Spuren finden sich im Verborgenen und werden oft einfach übersehen. Ein antifaschistischer Stadtrundgang unter dem Motto „Braune Soße links der Weser“ ging diesen Spuren kürzlich nach und brachte Unerwartetes zu Tage.

Treffpunkt war der Luftschutzbunker in der Hardenbergstraße, einer der vier Hochbunker im Stadtgebiet, die von Zwangsarbeitern des NS-Regimes gebaut wurden. 950 Menschen bot er Zuflucht, Ariern und Parteibonzen natürlich. Wer in der rassistischen Ideologie des Regimes unten stand, durfte bei einem Bombenangriff auch nicht auf Schutz im Bunker hoffen.
Heute ist eine Seite des Bunkers grün gestrichen und mit Kornähren verziert – Kunst am Bau, um die Wucht des städtebaulichen Monsters ein wenig zu mindern. „Während des Krieges waren die Wände mit Flammen und brennenden Häusern bemalt“, so Raumplaner Oliver Hasemann vom Autonomen Architektur Atelier (AAA), das den Rundgang in Zusammenarbeit mit der Initiative Kurzschluss erarbeitet hatte.

Eine Kontinuität voller Brüche also, die sich durch die Geschichte der Orte ziehen sollte, die auf dem Rundgang entdeckt wurden. So auch beim ehemaligen „Roten Haus“ gleich um die Ecke, in der die KPD ihren Sitz hatte und in dessen Keller eine Zeitung für Arbeiter gedruckt wurde. Einen Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde das Gebäude von der SA gestürmt.
Aus dem „Roten Haus“ wurde das „Gossel-Haus“, und von nun an nutzen die Nazi-Schergen den Keller für „Sondermaßnahmen“, im Klartext Folter. Heute ist das geschichtsträchtige Gebäude ein von außen recht unscheinbares Wohnhaus, doch erinnern sich die neuen Bewohner noch an die große Plakette mit einem Hakenkreuz, die beim Umbau zu Tage kam.

Beeindruckend sind die Schilderungen der Referentinnen von Kurzschluss über den Widerstand in Bremen, der erstaunlich mutig und kreativ wirkt. So wurden etwa Pakete mit linken Publikationen wasserdicht verpackt in die Weser geworfen, an anderer Stelle aufgefischt und dann verteilt. Gerne von Frauen mit Kinderwagen, denn was könnte unverfänglicher wirken? Beliebter Treffpunkt für konspirative Gruppen waren die Parzellengebiete: Getarnt zwischen Schnittlauch und Sonnenblumen formierte sich politischer Widerstand.

Am Leibnizplatz erinnert eine Tafel an die Geschichte des Ortes als Sammelstelle für Deportationen, zuerst der sogenannten „Asozialen“ – Obdachlose, Alkoholiker oder Prostituierte – später dann die Juden. Die letzten großen Transporte gingen ins KZ Theresienstadt, mit besonders vielen Kindern. Eine Information, die trotz sommerlicher Hitze für eine Gänsehaut sorgt, fällt doch der Blick von der Tafel direkt auf den Spielplatz.

Weiter geht der Weg zur Grundschule in der Kantstraße. Dort wurden, wie in vielen Schulen auch, Zwangsarbeiter untergebracht. Ganze Dörfer aus Osteuropa wurden zur Arbeit gezwungen, eine perfide Rassenhierarchie innerhalb der Zwangsarbeiterschaft aus Ost- und Westeuropa sollte eine Solidarisierung und damit möglichen Widerstand verhindern. Viele der Lager wurden übrigens nach dem Krieg als Übergangsheime für Auswanderer und Gastarbeiter weitergenutzt, Gruppen, die in der Hierarchie der neuen Republik ebenfalls ganz unten standen.

Und was früher eine bauliche Umsetzung der verschärften „Asozialenpolitik“ war, ist heute ein ruhiges Wohngebiet am Rand der Stadt. Das Areal am Wartumer Platz war als „Wohnfürsorgeanlage“ geplant, wo heute Bäume stehen, war eine freie Fläche, die von allen Seiten einsehbar war. Am Kopf der Anlage stand ein Kontrollhäuschen, wo man sich an- und abmelden musste. Eine hohe Mauer schützte vor unerwünschten Blicken, das Tor wurde nach 22 Uhr abgeschlossen. Dort sollten vermeintliche asoziale Personen auf den „rechten“ Weg gebracht, um die Betreuung der Kinder kümmerten sich ganz linientreu Hitlerjungen und BDM-Mitglieder. „Die Häuser sind nur aus Stein gebaut, den Asozialen war schließlich zuzutrauen, das Holz zum heizen zu verwenden“, so Alexander Kutsch vom AAA kritisch.

Vor der Hochschule in der Langemarck-Straße gab es einen kurzen Abriss über die Geschichte des umgestürzten Denkmals und die Diskussionen über die Umbenennung von Straßennamen und der damit eingehenden Kontiunität im Geschichtsverständnis. Oder eben auch dem Bruch der Kontiunität.

Weitere Informationen über das AAA gibt es im Internet unter www.aaa-bremen.blogspot.com

© www.weser-kurier.de | von der WESER-KURIER Mitarbeiterin Catharina Oppitz, FOTO: Walter Gerbracht

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Gibt es eine historische Aufnahme des Bunkers, der mit Flammen "getarnt" wurde? Weiß man, warum man zu so einem drastischen Mittel griff? Wie wurde diese zynische "Tarnung" von der Bevölkerung aufgenommen? Vielen Dank.