Dienstag, 17. Juli 2007

"Braune Soße links der Weser " Faschismus, Krieg, Deportation, Kontrolle Dokumentation und Resumeé vom 15.07.2007



















Resumée "Braune Soße links der Weser"

Im Schatten des Hochbunkers in der Hardenbergstraße fanden wir uns mit zirka 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu unserem antifaschistischen Spaziergang „Braune Soße links der Weser“ ein. Der von Zwangsarbeitern errichtete Schutzbau zeigte uns, dass Faschismus und Krieg auch heute noch im Stadtbild präsent und kein lästiges Pflichtfach im Schulunterricht sind. Der neue Umgang mit den Bunkeranlagen, ihre friedliche Nutzung als Lager- und Proberaum oder ihr Umbau zu Wohngebäuden, kann nicht über den ursprünglichen Schrecken hinwegtäuschen, der mit ihrer Errichtung verbunden ist.

Auf unserem Weg durch die Neustadt sind die aufragenden Bunker aber nur eine, wenn auch die auffälligste, Stätte, die sich direkt mit der Zeit der Nazi-Diktatur und des Krieges verbinden lässt. Andere Spuren der Vergangenheit verbergen sich weniger offensichtlich hinter Gebäudefassaden. Das ehemalige „Rote Haus“, lokales Zentrum der KPD mit eigener Druckerei und ein Zentrum des antifaschistischen Widerstands in der Neustadt, steht auch heute noch im Buntentorsteinweg. Nach der Machtübernahme wurde es von den Nazis gestürmt, die Druckerei zerschlagen und das Gebäude zu einem Sitz der SA in dessen Kellerräumen Gegner des Regimes gefoltert wurden.

Gerade die Kontinuität der Nutzung von Gebäuden, ähnlich der Weiterbeschäftigung von ehemaligen Nazis in Verwaltung, Justiz oder der Wirtschaft, wurde während des Spaziergangs erschreckend offensichtlich. So wurden die gleichen Barracken, in denen die Zwangsarbeiter untergebracht waren, nach dem Krieg zur Unterbringung von Gastarbeitern genutzt. Dass diese Zwangsarbeiterlager, wie im Fall der Schule in der Kantstraße, inmitten der Wohngebiete eingerichtet waren, zeigte uns auch, wie präsent die Situation der Zwangsarbeiter oder die Deportation der eigenen Nachbarn, die nachts aus ihren Wohnungen auf den heutigen Leibnizplatz getrieben wurden, im Stadtteil gewesen sein muss.

Gedenksteine, -tafeln oder Denkmäler, die an die Verbrechen der Vergangenheit erinnern, sind natürlich auch im Stadtraum aufgestellt, einige offensichtlich, wie am Leibnizplatz, andere eher versteckt. Eine subtile Erinnerung an die Verbrechen in unserer Nachbarschaft sind die Stolpersteine von Gunter Demnig, die eingelassen in den Bürgersteig auf Menschen aus unserer Mitte verweisen, die in der Nazizeit verschleppt und umgebracht wurden. Weniger subtil, denn ewiggestrig sind jene Zeitgenossen, die auch heute noch an der Langemarckstraße Kränze niederlegen, um dem in ihren Augen „ehrenvollen Opfergang der deutschen Jugend“ im ersten Weltkrieg zu gedenken, der mit dem Namen Langemarck verbunden ist. Das dieser Straßenname, der auf einen kriegstreiberischen, nationalistischen Kult zurückgeht, noch immer präsent ist, ist natürlich mehr als fragwürdig.

Die Mobilisierung der Studenten („Aus der Hochschule an die Front“) ist nur ein Aspekt der nationalistischen Ideologie, die in alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens und insbesondere der Familie eindrang. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Anlage einer „Besserungsanstalt“ durch die Nazis in Hashude 1936. In diese vollständig überwachte und kontrollierte Siedlung wurden Familien, einzelne Personen und Kinder verbracht, die nach der Familienideologie des Dritten Reichs „asozial“ waren und denen unter „Anleitung“ die „deutschen“ Familienwerte nahegelegt werden sollten. Diese zwischen Industrieanlagen und Bahnschienen versteckt gelegene und aus der Stadt separierte Siedlung, die auch wir erst nach Suche und langem Fußmarsch fanden, blieb selbst nach dem Krieg im Bremer Sprachgebrauch verankert.

Wir möchten uns bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bedanken, die mit uns zu diesem „schweren“ Thema unterwegs waren, viele Fragen gestellt und auch viel Wissen mit uns geteilt haben. Das Thema Faschismus, Krieg, Deportation und Überwachung beschränkt sich natürlich nicht auf die Neustadt, sondern kann auch in jedem anderen Stadtteil, in jeder Nachbarschaft „entdeckt“ werden. Wir würden uns natürlich freuen, Euch auch bei unseren nächsten Projekten und urbanen Spaziergängen zu begrüßen.

Text: Oliver Hasemann, Fotos: Meike Schlingmann(3), Daniel Schnier(2)

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