Donnerstag, 24. Mai 2007

WESER KURIER, 24.05.2007

Neues Leben im Abrisshaus
Wohnexperiment im Hochhaus Neuwieder Straße 48

TENEVER. Eine merkwürdige, bedrückende Stille geht von dem Wohnkomplex Neuwieder Straße 46 -52 in Osterholz Tenever aus. Von den meisten Mietern schon verlassen, ragen die zum Abriss verdammten Betonkolosse weitgehend verwaist in den Bremer Himmel. Doch bald soll neues Leben dort einkehren.

In dem Haus an der Neuwieder Straße 48 bewohnen nur noch zwei Parteien das Hochhaus, eine mehrköpfige Familie und ein älterer, alleinstehender Herr. Auch sie sollen bald in eines der umliegenden Gebäude umsiedeln, damit die teilweise stark heruntergekommene Wohnanlage abgerissen werden kann. Doch bevor das soweit ist, erwacht eines der Häuser, der Block Nummer 48, für kurze Zeit noch einmal zu neuem Leben.

Im Rahmen des Projektes "Sproutbau" sollen sich im August hier Menschen niederlassen, die einen Monat lang gemeinschaftlich miteinander leben wollen. Am Sonnabend veranstalteten die Organisatoren des Projekts eine erste Hausbegehung mit potenziellen Mitbewohnern. Die Initiatoren des Projekts, oder das "Team N.", wie sich die Gruppe nennt, sind neben Christina Vogesang, Annika Schmeding und Olaf Clausing, die über den Verein "Quartier" oder ähnliche Sozialeinrichtungen schon mehrere Projekt in Tenever betreut oder organisiert haben, auch Oliver Hasemann, Daniel Schnier und Alexander Kutsch vom Autonomen Architektur Atelier (AAA), die sich aufgrund der architektonischen Besonderheiten des Wohnkomplexes für das Projekt interessieren. "Die Idee ist, hier eine Wohngemeinschaft entstehen zu lassen, die sich auf der Grundlage individueller Ideen und der Gegebenheiten des Hauses entsprechend organisiert und miteinander in dem Haus lebt", erklärt Christina Vogesang.

Einzige Voraussetzung: Jeder, der in das Haus einzieht, muss etwas für das Allgemeinwohl in die Wohngemeinschaft einbringen und möglichst eine Idee entwickeln, die zu einer nachhaltigen Nutzung bestimmt ist. "Unter anderem wollen wir eine Volksküche einrichten, die für die Versorgung der Bewohner zuständig ist", erzählt Vogesang.

Darüber hinaus seien jedoch auch Interessenten aus anderen Bereichen, wie Handwerker, Techniker oder Zukunftsvisionäre gefragt, die sich vorstellen können, für einen Monat in einem fast leerstehenden Hochhaus zu wohnen. "Bisher haben sich schon einige Leute mit guten Ideen bei uns gemeldet", erzählt Christina Vogesang. "Wir haben sogar auch einige Anfragen aus dem Ausland, was uns natürlich besonders freut, weil es dem Projekt eine internationale Note gibt."

Claudia Junker und Niko Wolf, die aus Ottersberg zur Besichtigung gekommen sind, kennen sich mit alternativ geführten, gemeinschaftlichen Lebensformen aus. "Wir wohnen zusammen mit 18 Leuten in einem alten Bahnhof im Ottersberg", erzählt die 24-jährige Kunstpädagogikstudentin Claudia Junker, die schon seit dreieinhalb Jahren in dem alten Bahnhof lebt. Zwar habe sie bisher noch keine genaue Vorstellung davon, was sie in die Gemeinschaft einbringen könnte. "Ich finde das Projekt aber sehr spannend und wollte mir zur Inspiration einfach schon mal das Gebäude und die Räumlichkeiten angucken", meint sie.

Einen etwas ausgereifteren Plan hat die 25-jährige Celine, die Umwelttechnik an der Universität Hamburg studiert. "Ich habe mir überlegt, einen Solar- und Wärmespeicher zu entwickeln", erzählt sie. Da sie damit jedoch noch in der Planung stecke, wolle sie lieber erstmal nicht zu viel verraten. "Nicht, dass mich mein Professor nachher noch darauf festnagelt und es dann nachher nicht klappt."

Anfang August sollen mindestens 40 Bewohnerinnen und Bewohner in den Häuserblock einziehen, der dank der Gewoba noch für einen zusätzlichen Monat an das Wasser- und Stromnetz angeschlossen bleiben wird. "Allerdings haben wir in der Zeit leider kein warmes Wasser, aber vielleicht entwickelt ja jemand noch eine Idee dafür", sagt Vogesang.

Wer Lust hat, sich an dem Projekt "Sproutbau" zu beteiligen, kann sich noch bis Sonntag, 24. Juni, anmelden. Informationen hierzu gibt es im Internet unter www.sproutbau.de.

© www.weser-kurier.de | von der WESER-KURIER Mitarbeiterin Andrea Suhn, FOTOS: Petra Stubbe

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