Donnerstag, 18. Januar 2007

WESER KURIER, 18.01.2007

Querfeldein zum Hafenbecken
Führung fand große Resonanz / 150 Teilnehmer erfuhren Wissenswertes

WALLE. Auf dem Stadtplan ist die Eduard-Schopf-Allee im Hafengebiet noch gar nicht verzeichnet. Der Wandel in der Überseestadt vollzieht sich rasant. Das Autonome Architektur Atelier (AAA) veranstaltete am Sonntag einen kostenlosen Stadtspaziergang durch einen Stadtteil voller Geschichte, der sich im Umbruch befindet. Rund 150 Teilnehmer, von jungen Leuten bis Senioren, spazierten mit.

Die Veranstalter der AAA-Stadtspaziergänge wollen sich von Führungen absetzen, bei denen manchmal recht lieblos die vermeintlich wichtigsten Sehenswürdigkeiten abgeklappert werden. Vielmehr sollen spannende Entwicklungen im städtischen Raum im Mittelpunkt stehen, und die Dynamik der Stadtplanung soll verdeutlicht werden. So kann es durchaus geschehen, dass die Gruppe mitten auf einer freien Fläche im öffenlichen Raum stehenbleibt und die Teilnehmer rätseln, was denn das Besondere an gerade dieser matschigen Baustelle sein soll. "Hier soll einmal ein Park entstehen, den die Angestellten aus den umliegenden Büros nutzen können", erläuterte Oliver Hasemann, Diplomingenieur für Raumplanung, auf einem Steinhaufen stehend. Gemeinsam mit Daniel Schnier und Alexander Kutsch will er regelmäßig solche Spaziergänge anbieten. Zunächst war das Quartier entlang der Hochstraßen in der Hansestadt dran, und in Gröpelingen wurde dann der Frage nachgegangen, welche Interaktionen zwischen Migration und Architektur bestehen. Am Sonntag nun machten sich die rund 150 Teilnehmer auf die Suche, was im ehemaligen Hafengebiet vom Hafen noch übrig ist und wieviel neue städtische Elemente es bis jetzt in der Überseestadt schon gibt.

Einige der Teilnehmer hatten früher selbst im Hafen gearbeitet und kehrten nun an den Ort ihrer früheren Tätigkeit zurück, um einen Stadtteil im Wandel zu erleben. "Dass heute so viele Leute gekommen sind, überrascht uns", sagte Daniel Schnier, Diplomingenieur der Architektur. "Das zeigt, dass sich die Bremer sehr dafür interessieren, was mit dem Hafen passiert."

Von der neuen Straßenbahn-Haltestelle der Linie 3, Eduard-Schopf-Allee, ging es in Richtung Hafenbecken. "Reaktivierung und Revitalisierung" des alten Hafenquartiers waren die Schlagwörter des Rundgangs. Gleich zu Beginn wurde geklärt, was denn eigentlich ein "Loft" ist, das auf so vielen Plakaten beworben wird. Gemeint sind damit früher gewerblich genutzte, großzügig geschnittene Räume, die zu Büros oder Wohnungen umgebaut werden.

"Der Name Überseestadt greift unserer Meinung nach zu weit", kritisierte Alexander Kutsch, studierter Raumplaner. "Von einer Stadt nach den gängigen Definitionen kann hier noch keine Rede sein, da es nur wenige Verbindungen von Arbeiten und Wohnen gibt. Für eine Nutzung als Wohngebiet ist zum jetzigen Zeitpunkt noch keine ausreichende urbane Infrastruktur vorhanden."

Über Stock und Stein ging es am ehemaligen Europahafen vorbei zum ehemaligen Überseehafen, auf dem sich nach der Zuschüttung heute der Großmarkt befindet. Allerlei Wissenswertes gab es im Vorübergehen - so etwa einen kurzen Abriss über die dramatischen Auswirkungen, die die Erfindung des Containers in den 60er Jahren auf den globalen Warenfluss hatte, oder Geschichten aus den Blütezeiten des Hafens, als freie Arbeitsplätze noch im Radio bekannt gegeben wurden. "Früher war die Arbeit hier im Hafenquartier geprägt durch harte körperliche Arbeit. Jetzt ist das Quartier dabei, sich in ein hochpreisiges Gebiet zu entwickeln, in dem vor allem Informationen und Dienstleistungen gehandelt werden", umriss Oliver Hasemann den Wandel.

Der nächste urbane Spaziergang findet am Sonntag, 11. Februar 2007, um 14 Uhr unter dem Motto "In Walle komm Se alle" statt. Treffpunkt ist die ehemalige Feuerwache, Waller Stieg.

© www.weser-kurier.de | von der WESER-KURIER Mitarbeiterin Catharina Oppitz, FOTO: Walter Gerbracht

Keine Kommentare: